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Uwe Rösler im Interview
#1
Mit 19 Jahren wusste Uwe Rösler bereits, dass er mal Trainer werden will. Das verrät er im ersten Teil eines offenen Interviews. 

Es waren wertschätzende Worte, die Christian Eichner an Uwe Rösler richtete. „Es passt wie Decke auf Topf hier mit Uwe beim VfL“, sagte der Trainer des Karlsruher SC nach dem 2:2 zum Jahresabschluss am vergangenen Samstag. Da war es gut zweieinhalb Monate her, als Rösler auf dem Podium saß und sich beim VfL Bochum als neuer Trainer vorstellte. Seitdem hat er der Mannschaft und auch dem Verein neues Leben eingehaucht, hat sein Team trotz eines katastrophalen Saisonstarts zur Winterpause auf den zehnten Tabellenplatz geführt. Rösler kommt an der Castroper Straße an. Mit seinem Verständnis von Fußball, mit seiner Art. 

„Ich bin der Uwe“, so stellte sich Rösler Anfang Oktober in Bochum vor. Der persönliche Kontakt, ein offener und wertschätzender Umgang – das ist dem 57-Jährigen wichtig. Das war auch im Gespräch zu spüren, für das er sich kurz vor den Weihnachtstagen Zeit nahm, als um ihn herum die hektischen Vorbereitungen für den Jahresabschluss liefen. Aus diesem Grund verzichten wir auf das sonst bei Interviews übliche „Sie“. Es würde nicht zu Rösler passen. 

Im ersten Teil des Interviews spricht er offen über seinen persönlichen Werdegang, warum er auch in der Zeit mit der Familie nicht aus der Haut des Trainers kommt und wann für ihn klar war, dass er einmal Trainer werden würde. Im zweiten Teil spricht er über den VfL Bochum, Wünsche für den Kader und warum er Bochum so gut findet. 

Uwe, die Weihnachtspause ist kurz. Kannst Du trotzdem abschalten nach intensiven Wochen beim VfL Bochum?
Mit meiner Familie schon. Vor allem jetzt an den Feiertagen, weil wir uns die meiste Zeit im Jahr nicht häufig sehen. Generell wird mich der Fußball aber immer begleiten. Auch in Phasen, in denen ich nicht arbeite. Fußball wird immer eine Rolle für mich spielen. 

Was bedeutet Weihnachten für dich?
In erster Linie Familie. Meine Familie ist überall verteilt und wir kommen nun alle auf Mallorca zusammen. Als Spieler und Trainer habe ich einen Großteil meiner Karriere in England verbracht. Da stand der Fußball immer im Vordergrund, weil wir durchspielten. Auch heute noch ist der englische Fußball für mich interessant und die Fernsehzeiten an den Feiertagen sind gesetzt (lacht). Bis wir wieder anfangen, habe ich mir sicher einige Spiele angeguckt.

Dein Sohn Colin (25) ist Profi in Malmö. Bist du an den Feiertagen in der Rolle des Vaters oder des Trainers?
Ich ertappe mich manchmal dabei, mehr Trainer als Vater zu sein. Meine Frau weist mich dann schnell darauf hin, und ich bemühe mich sehr, dass es andersherum ist. Aber ich sehe alle seine Spiele und wir gehen da in die Spielanalyse. Wie verteidigt er den Strafraum, welche Läufe macht er? Das sind allerdings keine Themen am Weihnachtstisch. Aber wenn wir Golf spielen, sprechen wir darüber. Er fragt mich auch.

Es ging bei dir also schon immer nur um Fußball. Welche Zeit hat dich besonders geprägt?
Die Zeit an der Kinder- und Jugendsportschule in der DDR. Ins Internat bin ich mit elf Jahren gekommen. Ohne diese Ausbildung und Förderung hätte ich in meiner Karriere nichts erreicht. Ich war privilegiert. Es war nicht alles schlecht im Osten, vor allem die Talentförderung im Leistungssport war top. Jahrzehnte danach wurden in der Bundesrepublik Leistungszentren aufgebaut – die hatten wir bereits. Die Schule wurde an das Trainingsprogramm angepasst, es gab spezielles Training. Im Fußballbereich hatten wir auch Turnen oder Handball. Wir haben uns immer als Kollektiv verstanden, wenngleich das für uns in der Nationalmannschaft ein Nachteil war. 

Was war abseits des Fußballs prägend?
Dass ich meine Frau Cecilie getroffen habe. Ich kann von Glück sagen, dass meine Frau all das mitmacht, was zum Fußball für mich dazugehört. Die Zugeständnisse, die sie machen muss, macht nicht jede Frau mit. Wir sind so viel umgezogen, waren immer auf uns selbst angewiesen. Wir stehen als Familie sehr eng zusammen. Meine Frau hat viel zurückstecken müssen, hatte aber alles im Griff: Kinder, Schule, Haus. 

Prägend dürfte auch deine Zeit in England gewesen sein. Immerhin war es in den 90ern nicht üblich, dass deutsche Spiele in der Premier League spielen.
Ich war der erste Deutsche nach 30 Jahren, der dort gespielt und Erfolg gehabt hat. Überhaupt einen Ausländerplatz in einem der Teams zu bekommen, war etwas Besonderes. Das hat mich schon stolz gemacht, dass ich da einen Weg mit ebnen konnte. Als Kind der DDR habe ich viele Spiele von Ost-Klubs gegen englische Mannschaften gesehen. Die Stadien, die Atmosphäre, die Spielweise – das hat mich immer fasziniert. Ich hatte eine Kassette mit Schlachtrufen englischer Fußball-Fans. Die habe ich mir stundenlang angehört. 1994 kam dann das überraschende Angebot. 

Am Ende wurdest du eine Legende bei Manchester City, gehörst wie der ehemalige Torhüter Bert Trautmann zur Hall of Fame des Klubs.
Das erfüllt mich mit Stolz. Als ich dahingekommen bin, dachte ich mir schon, dass es funktionieren könnte. Sie waren Deutschen gegenüber wohlgesonnen durch Bert. Als Deutscher in England zu spielen, war auch in den 90ern nicht leicht, bei Fans oder Medien hatte man oft einen schweren Stand. Die Verantwortlichen von City haben mir aber immer eine Chance gegeben und ich bin in ein Konzept gekommen, was super zu mir gepasst hat. Ich wurde als Stürmer gut eingesetzt. Und ich höre zu – zumindest, wenn es um Fußball geht (lacht). Ich habe immer alles gegeben, war nie das größte Talent, habe mir alles hart erarbeitet. Das hat perfekt zum damaligen Arbeiterklub ManCity gepasst.

In die gesamtdeutsche Nationalmannschaft hat es für dich trotzdem nicht gereicht. Ärgert dich das?
Nein. Guckt euch doch nur mal an, welche Konkurrenz ich hatte: Rudi Völler, Jürgen Klinsmann, Karl-Heinz Riedle, Oliver Bierhoff, Fredi Bobic, Stefan Kuntz – soll ich weitermachen? Ich hatte keine Chance, das muss ich ehrlich anerkennen. Aber in meiner besten Zeit in England war ich nah dran. 

Wann war für dich klar, dass du nach deiner Karriere Trainer werden würdest?
Schon mit 19 Jahren! Überspitzt gesagt, kann ich nichts anderes als Fußball (lacht). Ich habe vor der Wende ein Studium zum Diplomsportlehrer angefangen, aber nicht abgeschlossen. Ich habe mich für den Profifußball entschieden. Mein ganzes Berufsleben war nur Fußball – und es macht mir immer noch Freude.

Als Trainer hast du in Norwegen begonnen, wo du auch deine aktive Karriere beendet hattest. Warum dort?
Als ich in Unterhaching war, kam ein Angebot von Lilleström SK und ich habe meiner norwegischen Frau gesagt: Es ist nur fair, wenn wir nach acht Jahren, die sie mir hinterhergereist ist, nun in ihr Heimatland gehen. Und in Norwegen wurde guter Fußball gespielt. Die hatten damals rund 80 Spieler in der Premier League! Dann bin ich dort Trainer geworden, weil ich mir dachte, dass das Scouting und der Fußball mir dort Chancen bieten würden. Mein Ziel war aber immer England. Meiner Meinung nach muss man sich auch als Trainer nach oben arbeiten, um eine Berechtigung zu haben, in den obersten Klassen arbeiten zu dürfen. Heute denken viele, dass man als Nachwuchstrainer sofort durchstarten kann.

Nun bist du im Oktober beim VfL Bochum gelandet. Was ging dir durch den Kopf, als die Anfrage kam?
Nach meiner Zeit bei Fortuna Düsseldorf wollte ich es mir und allen in Deutschland noch einmal beweisen. Ich bin auch heute noch der Meinung, dass ich mir damals einen neuen Vertrag verdient gehabt hätte. Ich habe die Entscheidung des Vereins respektiert, aber ich war hier in Deutschland noch nicht fertig. Nachdem ich nicht mehr Trainer in Aarhus (in Dänemark, die Redaktion) war, war der deutsche Markt für mich sehr interessant. Als die Anfrage kam, habe ich mir den Kader angeguckt, mir Aufnahmen vom Spiel gegen Fortuna Düsseldorf besorgt, das Spiel gegen Lautern gesehen und dann war klar: Ich mache es. 

Quelle: WAZ.de
Tradition ist nicht die Aufbewahrung von Asche, sondern die Weitergabe des Feuers
" Der  VfL kommt von der Castroper Strasse, und hier soll er auch bleiben."
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#2
Im zweiten Teil unseres Interviews spricht Uwe Rösler über die Transferphase und was ein Neuzugang bräuchte. Zudem erklärt er seine Zuneigung zu Bochum. 

18 Punkte aus neun Spielen, zehnter Tabellenplatz: Uwe Rösler hat beim VfL Bochum wieder ein Feuer entfacht. Der 57-Jährige allerdings bleibt realistisch. Es gehe auch in der Rückrunde vor allem darum, den Klassenerhalt zu schaffen. Vier Punkte beträgt zur Winterpause der Vorsprung auf den Abstiegsrelegationsplatz. 

Die Arbeit ist daher noch längst nicht getan. Das weiß der Trainer ganz genau, wie er auch im Gespräch ausführte. Nach dem ersten, eher persönlichen Teil unseres Interviews, spricht er nun über den VfL Bochum. Er erklärt, warum er auf eine Viererkette setzt und was der VfL-Fußball für ihn darstellt und wie er sich die nun anstehende Wintertransfer-Periode vorstellt. 

Worüber bist du mit Blick auf den Kader inzwischen überrascht?
Über den Hunger, die Energie und die Qualität der jungen Leute. Das vergleiche ich mit meiner Zeit bei Leeds, als ich auch sechs, sieben Toptalente hatte. Die haben auch alle gespielt. Mir wurde manchmal vorgeworfen, ich würde junge Spieler zu selten einsetzen. Bei mir gilt: Wer gut ist, spielt. Wie die Jungs hier gespielt haben, war herzerfrischend. Dass es sofort mit den Ergebnissen funktioniert hat, hat dem gesamten Projekt Rückenwind gegeben. Dann ist mit Hoffi (Philipp Hofmann, Anm. d. Red.) ein Stürmertyp im Kader, den ich mag. Ihn wollte ich auch mal holen, genauso wie Maximilian Wittek. Der hatte mir damals einen Korb gegeben und ist lieber zu Vitesse Arnheim gegangen. Das muss ich ihm noch heimzahlen (lacht).

Und dann spielte der VfL auch noch Dreierkette – so wie deine Mannschaften zuletzt häufig.
Ich habe viele Pluspunkte gesehen. Aber ich habe trotzdem gewechselt. Ich habe im Testspiel gegen Aachen gesehen, dass wir die Dreierkette nicht so aggressiv und dynamisch interpretieren können, wie ich das gern hätte. Dann habe ich auf die Viererkette gewechselt, weil wir Bochum-Fußball spielen wollen. Mit Flügelspielern, Geschwindigkeit, Aggressivität und Intensität. Und wir mussten die Abwehr stärken. Wir hatten zwei Tore pro Spiel bekommen, bevor ich gekommen bin. Damit hält man kaum die Klasse.

Also bleibt es auch perspektivisch bei einer Viererkette?
Das gibt einem die Chance, einen Offensivspieler mehr reinzubringen. Wir wollen diese Saison die Klasse halten und uns danach logischerweise weiterentwickeln, diese Ambitionen haben alle hier beim VfL. Ich glaube, dass uns das dann entgegenkommen wird. Wir haben in der Regel einen Neuner, der auch gefüttert werden will. Flexibel wollen wir aber bleiben – wie beispielsweise gegen Stuttgart, als wir mit einer Fünferkette gespielt haben. Beim Bochum-Fußball müssen die Flügel besetzt sein. Das wollen die Zuschauer sehen. Und den wollen wir entwickeln, um zu attackieren und Spiele zu gewinnen. Ich möchte eine Mannschaft entwickeln, sodass Spieler später sagen, der Trainer hat mir in meiner Karriere geholfen. Das ist für mich Genugtuung. 

Du sprichst viel mit den einzelnen Spielern. Du erwartest aber auch, dass die Spieler zu dir kommen, oder?
Dafür muss das Vertrauen aber wachsen. Im Gespräch muss Klartext geredet werden. In dieser Hinsicht sind wir erst am Anfang der Entwicklung. Einige Spieler kommen zu mir. Cajetan Lenz ist so ein Spieler, der schon mehrfach bei mir war. Andere haben vielleicht noch etwas zu viel Respekt. Sie werden aber über die Zeit lernen, dass sie jederzeit von sich aus zu mir kommen können. Das möchte ich auch. 

Bist du ein strenger Trainer, der seine Spieler auch außerhalb des Trainingsplatzes kontrolliert?
Ich habe mir abgewöhnt, eine strenge Linie fahren zu wollen. Ich kann nur das beeinflussen, wenn die Spieler hier sind. Dann kann ich ihnen Struktur und Leitplanken geben. Alles außerhalb hat mit Eigenverantwortung zu tun. Ohne die kannst du sowieso kein Profi sein. Ich bin kein Kontrollfreak. Die Jungs müssen auch mal weggehen, Spaß haben oder sich nach ein paar Kaltgetränken auch mal die Meinung geigen. Das Leben ist mehr als Fußball. Man muss lernen, auf eigenen Füßen zu stehen und eigene Entscheidungen zu treffen. Wer für sich nicht entscheiden kann, für welchen Verein er spielen möchte und das dem Berater überlässt, trifft auch auf dem Platz keine Entscheidung.

Entscheidungen müssen du und der Klub im Winter auch auf dem Transfermarkt treffen. Was benötigt die Mannschaft, um sich aus deiner Sicht weiterzuentwickeln?
Wir können an der Balance des Kaders arbeiten. Auf einigen Positionen haben wir ein großes Angebot, auf anderen eine dünne Decke. Wenn Wünsche von Spielern bestehen, regelmäßig Spielzeit zu bekommen und sich ausleihen zu lassen, müssen wir darüber reden. Ich glaube nicht, dass wir viel machen werden. Wir haben einen guten Kader, der uns berechtigte Hoffnung macht, die Liga zu halten. Es gibt Positionen, die ich noch nicht nennen möchte, wo wir uns punktuell verbessern können. Aber nur, wenn es darstellbar ist. 

Es müssten also erst einmal Spieler gehen?
Ich muss jede Woche Entscheidungen treffen, wer spielt oder zum Kader gehört. Spielt einer nicht, kann er seinem Job nicht nachgehen. Das fällt mir auch heute noch jedes Mal schwer, aber das ist meine Verantwortung, die ich für das Gesamte übernehme. Wenn mir ein Spieler, der zuletzt nicht viel gespielt hat, erklärt, dass er sich verändern möchte, dann suchen wir die beste Lösung. Generell gehen wir aber nicht in das Transferfenster, um Spieler zu verkaufen.

Was müsste ein Neuzugang mitbringen?
Er muss aggressiv und dynamisch sein und nach vorn denken. Wir brauchen Tempo und Spieler, die nach vorn spielen wollen, die Risiko nehmen und offensiv denken. Wichtig sind auch die menschlichen Eigenschaften. Ein Spieler muss trainierbar sein. Und der Spieler muss den Teamgedanken beim VfL Bochum verstehen. Jeder hat seine eigene Persönlichkeit. Aber jeder muss verstehen, dass es hier nur gemeinsam geht.

Du bist nun elf Wochen im Verein. 2025 war für den VfL ein schwieriges Jahr mit Abstieg und einer Präsidiumswahl. Wie nimmst du den Klub generell momentan wahr?
Ein Abstieg ist immer schwierig. Das habe ich selbst bei Fortuna Düsseldorf erlebt. Für den VfL ist es sicherlich besonders schwer, nach den vielen sportlichen Rückschlägen positive Gedanken zu haben. Vor allem angesichts der vielen Wechsel im Sommer. Du wirst direkt beurteilt, der Trainer hat keinen Kredit, wenn es nicht von Anfang an läuft. Dazu gab es einen neuen Vorstand. Der Klub und die Mannschaft müssen sich schnell finden. Es muss alles ineinandergreifen und sich entwickeln. Das gilt auch für unser Rekrutierungsprogramm für Spieler. Wichtig ist, dass es einen Plan gibt und wir Vertrauen entwickeln, die Kommunikation intern bleibt. Da sind wir dabei. Es muss alles im Sinne des Vereins geschehen. Ich sehe, wie heißblütig alle um mich herum den Verein lieben.

Dafür ist Bochum bekannt.
Bochum ist eine absolute Fußball-Stadt. Der Verein ist hier Religion. Solche Klubs sind aber nicht immer leicht zu führen, davon ist auch der Trainer betroffen. Die Stadt lebt den Fußball. Das ist einzigartig und das brauche ich. Es muss für alle etwas bedeuten, ein Spiel zu gewinnen. Jeder muss enttäuscht sein, wenn wir verlieren. Das ist die Herausforderung, und das reizt mich.

Quelle: WAZ.de
Tradition ist nicht die Aufbewahrung von Asche, sondern die Weitergabe des Feuers
" Der  VfL kommt von der Castroper Strasse, und hier soll er auch bleiben."
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