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Was bei der VfL-Wahl in Bochum auffiel
#1
Es gab Buh-Rufe, persönliche Angriffe und eine souveräne Leitung. Bei der Präsidiumswahl des VfL Bochum war auch der BVB ein Reizthema: fünf bemerkenswerte Aspekte. 

Mit geballter Jubel-Faust schritt Hans-Peter Villis zur Bühne, als sein „Team Zukunft“ mit Andreas Luthe als klarer Wahlsieger feststand. Der VfL Bochum hat ein neues Präsidium, und der langjährige Vorsitzende Villis stand auch in der Aussprache oft im Fokus: fünf bemerkenswerte Aspekte der VfL-Versammlung. 

1) Nicht einmal 2000 Stimmen - die meisten Mitglieder wollen nicht mitreden
Dass er die Mitgliederversammlung erst um 12.03 Uhr eröffnete, begründete der bisherige Vorstandsvorsitzende Uwe Tigges gleich doppelt. Zum einen habe er nicht Grönemeyers „Bochum“ abbrechen wollen, zum anderen ging der Blick auf die Teilnehmerzahl. Entsprechend dem Gründungsjahr sollten es doch mindestens 1848 sein. Diese wichtige Marke fiel noch, viel mehr wurden es aber nicht. Bei schwül-heißem Sommerwetter kamen nicht einmal 2000, nämlich genau 1968 Mitglieder zur richtungweisenden Wahl der Vereinsspitze.

Woran es lag? Sicher am Wetter, und etliche Mitglieder sind aktuell auch verreist. Vor allem aber: Hintergründe und Zusammenhänge der Vereinspolitik spielen - nicht nur in Bochum - für viele Fans keine große Rolle. Für die enorme Diskrepanz zwischen 32.000 Mitgliedern - inklusive der nicht stimmberechtigten Kinder und Jugendlichen - und knapp 2.000 vor Ort sorgt, dass Mitbestimmung längst nicht mehr die größte Motivation ist, Mitglied zu werden. Der Mitgliedsstatus ist für viele vor allem ein Ticket-Vorverkaufsrecht - anders hat man ja gar keine Chance mehr, an Karten zu kommen. 

Nur vier Prozent aller Mitglieder gaben dem Luthe-Team ihre Stimme
So bekam das Team Zukunft um Andreas Luthe im Stadion zwar eine deutliche Mehrheit - bezogen auf alle VfL-Mitglieder wurden sie aber nur von nicht einmal vier Prozent gewählt. Dieses Desinteresse ist allerdings kein VfL-exklusives Thema, sondern eines, das viele große Vereine haben. Der VfL trug dem Wandel diesmal immerhin damit Rechnung, dass es einen Livestream für Mitglieder von der Versammlung gab. Wählen kann man aber weiterhin nur vor Ort.

2) Bauers Attacken kommen nicht gut an - Fans wollen keine Schlammschlacht
Erst zum zweiten Mal in der Vereinsgeschichte gab es beim VfL Bochum eine Kampfkandidatur - zum zweiten Mal trat der ehemalige Mannschaftsarzt Dr. Karl-Heinz Bauer gegen Hans-Peter Villis an. Das war auch die Richtung der schärfsten Attacken. Bemerkenswert: Er war der einzige Kandidat, der schon die Vorstellungsrunde zu einem persönlichen Angriff an. So warf Bauer Villis einmal mehr eine „One-Man-Show“ vor. Später sagte er, er habe „Angst um den VfL“. Auch Luthe griff er an, die Findungskommission hingehalten und währenddessen seinen eigenen Wahlkampf geplant zu haben.

Villis gesteht Fehler ein - Mitglieder wollen keine „schmutzige Wäsche“
Die Strategie ging gleich doppelt schief: Zum einen gestand Villis Fehler ein und ließ Luthe Vorwürfe abperlen, reagierte besonnen - so liefen Bauers Attacken auf der Bühne ins Leere. Und vor allem kamen sie auf der Tribüne überhaupt nicht gut an.

Bauer kassierte Buh-Rufe. „Ohne Schlammschlacht!“ riefen einige Fans, als Bauer während der Aussprache wieder ausholte. Dazu musste er sich die Frage stellen lassen, warum er ganz am Ende des Wahlkampfs „das persönliche Fass“ aufmache und schmutzige Wäsche waschen wolle. 

Bauer stritt das ab, er sage nur die Wahrheit - und von Villis und Luthe bekam er in vielen Punkten auch gar keinen Widerspruch. Den VfL-Mitgliedern war offenbar Geschlossenheit und Besonnenheit wichtiger als eine Abrechnung und Offenlegung aller Vorkommnisse vor der Öffentlichkeit. Das spiegelt sich im deutlichen Wahlergebnis wieder. 

3) Dorny spricht die BVB-Fotos an - und wird ausgepfiffen
Kaum war Mirja Dornys Kandidatur vor einigen Wochen bekanntgeworden, machten unter VfL-Fans Fotos die Runde, die die Ex-VfL-Fußballerin mit BVB-Schal zeigten. Sie begründete das damit, dass sie BVB-Mitglied geworden sei, um Tickets für ihre Kinder kaufen zu können. Für viele VfL-Fans war die Ex-Fußballerin aber vor allem „die mit den BVB-Fotos“.

Dorny hielt am Samstag eine starke Rede vor den Mitgliedern, sprach klar und entschlossen über ihre Bindung zum VfL, dass für sie ein Lebenstraum in Erfüllung gegangen sei, als sie selbst im VfL-Trikot spielen durfte. Sie nutzte wenig Floskeln, thematisierte ihre Rolle als Führungsfrau im Wohnungsgeschäft. Auch das Thema „Fußball muss bezahlbar bleiben“ sprach sie an, traf damit einen Nerv und bekam viel Applaus. 

Sie hätte das BVB-Thema verschweigen können, sie hätte es früh in der Rede mit einem Witz abräumen können. Dorny indes sprach das Thema am Ende ihrer Rede offen an - das war mutig und ehrlich, aber für die Wahl unglücklich. Dorny ging nach einem eigentlich guten Auftritt mit Pfiffen und Buh-Rufen von der Bühne. 

4) Investorenfrage: 15 Kontakte, aber keine Einstiegsgespräche
Bei der Investoren-Frage waren sich die konkurrierenden Teams einig. Tenor: keine Experimente, kein Verkauf des Vereins, ein Investor „muss passen“. Im Vorfeld der Wahl hatte Hans-Peter Villis erklärt, dass die Gespräche mit einem Investor im Vorjahr sehr weit fortgeschritten waren, dieser dann aber deutlich weniger Geld einbringen wollte. Der Deal platzte. 

Uwe Tigges, bis Samstag Vorstandsvorsitzender des Vereins, gab Zahlen preis, dementierte aber Gespräche auf der Zielgeraden. „Seit der Corona-Pandemie gibt es immer wieder Gespräche. Es gab 15 Kontakte im letzten Jahr. Aber mit keinem Investor haben wir als Präsidium ein Gespräch geführt, das den Boden hatte für einen Einstieg.“ 

Nach der Wahl vom Team Zukunft steht insbesondere Till Grönemeyer dafür, Bochum im wirtschaftlichen Bereich nach vorne zu bringen. Der erfolgreiche Unternehmer vor allem in der Start-Up-Branche nannte drei Punkte, die er einbringen will. 1. Expertise in der Kapitalbeschaffung und unternehmerisches Netzwerk. 2. Das Wissen, vergleichsweise kleine Player zu großem Erfolg zu führen. 3. Eine klare Haltung. Das Ruhrstadion sei ein „Alleinstellungsmerkmal“ inmitten von Parks und Arenen. Er will helfen, dass der VfL neue Partner gewinnt und innovative Finanzierungen findet. Konkreter wurde er auf Nachfrage von Mitgliedern noch nicht. Das Thema Investor steht aber nicht ganz oben auf der Agenda. 

5) Die Stärkste auf der Bühne steht gar nicht zur Wahl
Andreas Luthe kennen alle, Thomas Ernst die meisten, ebenso wie Hans-Peter Villis und Uwe Tigges. Den stärksten Auftritt auf der Bühne legte bei der VfL-Mitgliederversammlung aber eine hin, die überhaupt nicht zur Wahl stand: Carina Gödecke. Die 66-Jährige ist Mitglied im VfL-Ehrenrat. Sie übernahm die Moderation und Versammlungsleitung, weil Vorstandschef Uwe Tigges selbst zur Wahl stand und es an Roland Mitschke von der Findungskommission, der vor drei Jahren die letzte Kampfabstimmung leitete, vom Team Zukunft vorab Kritik gab. 

Gödecke glänzte in der Rolle als neutrale Vermittlerin. Sie mahnte zur Wertschätzung, als Fans auf den Tribünen unruhig wurden und buhten, drückte aber auch immer wieder aufs Gaspedal bei den teils länglichen Fragen der Mitglieder in der Aussprache. Cool und schlagfertig reagierte sie und lehnte auch mal eine Frage ab: Eine rhetorische Frage heiße ja wohl aus gutem Grund so, entgegnete sie einem Mitglied - und bekam dafür Applaus von den Fans auf den Rängen, die langsam ungeduldig wurden. 

Beim Blick auf ihren Hintergrund kann das kaum überraschen: Gödecke war für die SPD Präsidentin und damit auch Sitzungsleiterin des NRW-Landtags. Auf dem Portraitbild von ihr im Landtag, das nach ihrem Ausscheiden 2023 dort aufgehängt wurde, ist sie übrigens mit einem VfL-Schal abgebildet. 

Quelle: WAZ.de
Tradition ist nicht die Aufbewahrung von Asche, sondern die Weitergabe des Feuers
" Der  VfL kommt von der Castroper Strasse, und hier soll er auch bleiben."
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