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Zittern vor Abstieg „Anstoßzeiten sind der Killer“
#1
Dem VfL Bochum droht heute gegen Mainz der Abstieg. Vier Jahre haben Stadt und Klub von der Erstklassigkeit profitiert. Mancher Blick ist düster. 

Natürlich wollen sie noch nicht so weit denken. Natürlich glauben sie noch. Ein Abstieg ist erst ein Abstieg, wenn er besiegelt ist. Vorher nennt man das Unheil nicht beim Namen. Augen zu, weiter hoffen. Doch ein Du-weißt-schon-was hängt gerade wie ein Damoklesschwert über Bochum, seinem VfL, den Fans und der Stadt. Der Klub steht zwei Spieltage vor Saisonende mit 22 Punkten auf dem letzten Tabellenplatz. 

Bei einer Niederlage im letzten Heimspiel heute gegen Mainz 05 (15.30 Uhr/Sky) wird der Gang ins Unterhaus des deutschen Bundesliga-Fußballs bittere Realität. Selbst ein Unentschieden könnte zu wenig sein. Doch noch besteht Hoffnung, an die wird sich geklammert. Erst recht nach dem Relegationswunder in der vergangenen Saison. Wie der VfL Bochum nach einer herben Hinspielniederlage dann im Rückspiel bei Fortuna Düsseldorf im Elfmeterschießen doch noch die Klasse sicherte: So entstehen Legenden. 

18 Millionen Sympathisanten in ganz Deutschland
Über die Folgen eines möglichen Abstiegs möchte daher noch kaum jemand sprechen – vor allem nicht beim Verein. Bochums Oberbürgermeister und VfL-Fan Thomas Eiskirch (SPD) drückt lieber weiter die Daumen, mag sich vorerst nicht äußern. Und auch beim Stadtmarketing heißt es: „Wir glauben weiterhin fest an den Klassenerhalt des VfL.“ Sehr wohl könne man jedoch aufzeigen, was die Bundesliga-Zugehörigkeit in den vergangenen vier Jahren für die Stadt bedeutet hat: „Die Identifikation der Bochumerinnen und Bochumer mit dem VfL ist so stark ausgeprägt wie in nur ganz wenigen anderen Städten in Deutschland“, sagt Pressesprecher Felix Kannengießer. Seit dem Wiederaufstieg 2021 ist der Heimbereich des Ruhrstadions immer ausverkauft gewesen. Entsprechend voll war es vor und nach den Spielen auch im Bermuda-Dreieck, dem Kneipenviertel der Stadt. Ganz zur Freude von Pinte bis Bratwursthaus.

Der VfL beruft sich gemäß einer DFL-Umfrage auf deutschlandweit mehr als 18 Millionen Sympathisanten – da Bochum aktuell rund 375.000 Einwohner zählt, scheint die Geschichte vom tapferen Außenseiter aus dem Ruhrgebiet auch über die Stadtgrenze hinaus zu begeistern. Dennoch: Der VfL Bochum ist ein Verein für Stadt und nähere Umgebung. 

VfL-Fans haben sich teilweise schon mit Abstieg abgefunden
Das Herz dieses starken Bandes zwischen Stadt und Verein bilden natürlich die Fans. Auch in schweren Zeiten sind sie da. Am 1. Mai kamen 5200 zu einer Motivationseinheit im Ruhrstadion. Anfang dieser Woche demonstrierten sie: Egal, was geschieht, wir sind der VfL Bochum. „Ich gehe seit 1978 hier hin. Natürlich wird das auch beim Abstieg so bleiben“, sagte Dirk Minder, der mit drei Freunden das Training verfolgte. Natürlich sei der Abgang in Liga zwei schmerzhaft, seit dem vergangenen Wochenende hätten sie sich aber nun damit abgefunden. Er sei eher enttäuscht, dass vor der Saison aus seiner Sicht nicht das nötige Geld in die Hand genommen wurde, um einen in allen Belangen konkurrenzfähigen Kader zusammenzustellen.

Die Folgen des Abstiegs beschäftigt die Anhänger durchaus. „Es hängt viel dran: finanziell, emotional“, sagt Colin Kreft, der seit 26 Jahren seinem Lieblingsklub anhängt. Sein Kumpel müsse in einer kommenden Zweitligasaison die Dauerkarte abgeben, die Anstoßzeiten seien mit den Arbeitszeiten nicht mehr kompatibel. „Auch für die Kneipen und Hotel wird es bestimmt einen wirtschaftlichen Schaden geben. Sonntag, 13.30 Uhr – da gehen doch weniger Leute in die Kneipe Fußball gucken als Samstag um 15.30 Uhr“, sagt Kreft. 

Damit trifft er einen Punkt, für den Christian Bickelbacher Experte ist. „Ich glaube an zwei Siege und die Relegation“, sagt der glühende VfL-Fan in ihm. Doch der Gastronom in ihm schaut auch auf das drohende Abstiegsszenario. Bickelbacher ist Inhaber der Sportsbar Three Sixty im Bermuda-Dreieck. Als Aufsichtsrat der Immobilien- und Standortgemeinschaft Bermuda3Eck Bochum e.V. (ISG) weiß er genau, was für einen Unterschied die Erst- oder Zweitliga-Zugehörigkeit macht. „Die Anstoßzeiten sind der Killer für uns“, sagt er mit Blick auf das Gros der Zweitligaansetzungen. Vor einem 13-Uhr-Spiel hätten die Leute anderes zu tun, als sich auf Fußball einzustimmen. „Das sind viele Biere, die nicht getrunken werden.“ Der geringere Konsum werde sich auch bei der Brauerei bemerkbar machen, glaubt Bickelbacher. 

Einbruch bei Hotelübernachtungen nach Abstieg?
Existenzen sieht der frühere ISG-Vorstand nicht bedroht, aber die Tage mit Spitzeneinnahmen dürften deutlich weniger werden. Einzig vom Freitagabend (Beginn 18.30 Uhr) oder von den Topspielen am Samstag (Beginn 20.30 Uhr) verspricht er sich Potenzial. 

Hatte die Rückkehr in die Bundesliga laut Stadtmarketing noch einen positiven Effekt auf den Tourismus in Bochum, droht nun ein Einbruch. Bickelbacher, dem auch das Hotel Tucholsky gehört, stellt fest: „Viele Erstligafans reisen schon einen Tag früher an.“ Das Stadtmarketing legte extra das Format „Dein Fußballwochenende in Bochum“ auf, das Begegnungen mit VfL-Legenden, aber auch den Besuch von kulturellen Veranstaltungen einschloss. Das kam an. Doch in der 2. Liga gilt: „Viele attraktive Gegner sind Tagesfahrten“, sagt Bickelbacher. Düsseldorf, Paderborn, Hannover – da braucht es keine Übernachtungen. 

VfL-Fans tragen weiter stolz ihre Farben
Was VfL-Mitglied Bickelbacher aber auch eine Klasse tiefer erwarten würde, ist ein stimmungsvolles Stadion. „Die Heimfans werden stabil bleiben“, sagt er. Die Wellen an blau- und weißgekleideten Fans würden in Liga zwei genauso über die Castroper Straße Richtung Stadion schwappen wie in Liga eins.

Auch beim öffentlichen Training tragen die Fans stolz ihre Vereinsfarben. Wie Stefan Klemenz. „Bochum“ steht auf seinem Pullover. Volle Identifikation mit der Stadt, volle Identifikation mit dem Klub. Der 53-Jährige befürchtet durch den Abstieg auch einen Image-Verlust für die Ruhrgebietsstadt. „Wir werden in der überregionalen Presse und im Fernsehen weniger stattfinden, das wird sicher Auswirkungen haben“, sagt Klemenz. „Bei Siegen gegen Bayern oder den BVB bist du sexy. Aber Siege gegen Elversberg interessieren außerhalb Bochums niemanden mehr.“ 

Wird Du-weißt-schon-was nun doch besiegelt, kommt es für ihn vor allem auf den Start in die Zweitligasaison an. Ist Bochum erfolgreich, könne sich eine Euphorie entfachen. Bei mehreren Pleiten hingegen könnte die Nachfrage auch in der Stadt nach dem VfL sinken. An diese Folgen mag aber noch keiner denken. 

Quelle: WAZ.de
Tradition ist nicht die Aufbewahrung von Asche, sondern die Weitergabe des Feuers
" Der  VfL kommt von der Castroper Strasse, und hier soll er auch bleiben."
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Zittern vor Abstieg „Anstoßzeiten sind der Killer“ - von Herr Bert - Heute, 11:27 AM

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