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DFB-Gericht bestätigt Bochums Sieg am grünen Tisch
#40
Das DFB-Bundesgericht hat entschieden: Die Partie bei Union Berlin wird mit 2:0 für den VfL Bochum gewertet. Union legt Berufung ein - mit diesen Chancen. 

Fast viereinhalb Stunden dauerte die mündliche Verhandlung vor dem DFB-Bundesgericht, fast zwei Stunden lang beriet sich der Vorsitzende Richter Oskar Riedmeyer mit den Beisitzern. Es stand viel auf dem Spiel, es ging um ein Grundsatzurteil mit Signalwirkung im deutschen Profifußball und in der Rechtslage ums Detail. Die Spannung war greifbar im Saal „Golden Goal“ am mächtigen DFB-Campus in Frankfurt/Main, als Richter Riedmeyer das Urteil verkündete um 18.57 Uhr. Der VfL Bochum erhält auch in zweiter und letzter Instanz des DFB den Sieg am Grünen Tisch. Die Partie bei Union Berlin am 14. Dezember (1:1) wird mit 2:0 für den VfL gewertet, der damit auf Rang 16 springt und am Samstag im Heimspiel gegen die TSG Hoffenheim (15.30 Uhr/Sky) auch die Kraichgauer mit in den Abstiegskampf ziehen kann. 

„Es kann nicht sein, dass ein gezielter Wurf auf einen Spieler zu einem Wiederholungsspiel führt“, erklärte Riedmeyer. Die Partie hätte abgebrochen werden müssen, die Absprache der Klubs auf einen Nichtangriffs-Pakt sei „unzulässig“, eine Schwächung des VfL lag vor, „welche durch den Feuerzeugwurf eines Mitglieds von Union Berlin herbeigeführt wurde. Dieses Verschulden wird Union Berlin zugerechnet.“ 

Union-Präsident Zingler ist sauer: Gericht ist nicht für politische Signale da
Sichtlich sauer verschwand direkt danach Union-Präsident Dirk Zingler nach der Urteilsbegründung. „Nein“ raunzte er zu den zahlreichen Medienvertretern bei der Frage nach einem Statement. Dies legte Zingler dann doch schnell nach - auf der vereinseigenen Homepage: „Wir waren heute Zeuge eines Verfahrens, in dem erstmalig das Fehlverhalten eines Zuschauers zu einer Spielumwertung geführt hat. Und das trotz einer ordnungsgemäßen Beendigung des Spiels durch den Schiedsrichter. Die Schaffung dieses Präzedenzfalls war aus unserer Sicht Ziel des Kontrollausschusses. Das Gericht ist vom VfL Bochum und vom Kontrollausschuss aufgefordert worden, ein politisches Signal zu senden. Dies war nur möglich unter fehlerhafter Anwendung der Rechts- und Verfahrensordnung. Wir sind daher gezwungen, dem politischen Druck zu entgehen und werden das Ständige Schiedsgericht anrufen”, äußerte sich Zingler. 

Das DFB-Bundesgericht ist die letzte Instanz innerhalb des Verbands, die nächste und sportrechtlich letzte Instanz ist das Ständige Neutrale Schiedsgericht für Vereine und Kapitalgesellschaften der Lizenzligen. Eine Einspruchsfrist gibt es nicht, der Einspruch soll aber zeitnah erfolgen, heißt es von Experten. Alles andere ergäbe aufgrund der Bedeutung im Abstiegskampf auch keinen Sinn. Unter Experten gilt es als äußerst unwahrscheinlich, dass sich an dem Urteil etwas ändert. Das Schiedsgericht würde auf formale Fehler prüfen, etwa auf die rechtlich eindeutig falsche Anwendung von gültigen Regeln oder Befangenheit von Richtern. 

Kaenzig hofft auf eine Signalwirkung
Ganz anders als bei Zingler war die Stimmung bei Ilja Kaenzig: „Wir sind natürlich erleichtert, das hat uns bewegt in den vergangenen Wochen“, sagte der Geschäftsführer des VfL Bochum in die zahlreichen Kameras. „Jetzt haben wir ein beinahe endgültiges Urteil, die Klarheit vom letzten Mal ist wiederholt worden. Das für uns einzig richtige Urteil wurde bestätigt.“

VfL und Kontrollausschuss hatten sich eine Signalwirkung beim Urteil gewünscht. „Es hätte auch jemand anders treffen können. Wir wissen, wie es ist“, so Kaenzig mit dem Blick auf das abgebrochene Spiel des VfL gegen Mönchengladbach nach einem Bierbecherwurf, der Schiedsrichter-Assistent Gittelmann getroffen hatte. Die Partie wurde für Gladbach gewertet. „Bei uns hatte es eine heilende Wirkung, Becherwürfe sind seither nahezu gänzlich ausgeblieben im Vonovia Ruhrstadion. Wir können nur hoffen, dass das Urteil heute auch eine sehr starke Signalwirkung hat, dass härteste Konsequenzen im Raum stehen, wenn sich jemand dermaßen fehlverhält.“ 

Deshalb kam es zum Gerichtsstreit
Die Partie der Köpenicker gegen Bochum (1:1) war nach Einspruch des VfL und einer mündlichen Verhandlung am 9. Januar mit 2:0 für den VfL gewertet worden. Bochums Torhüter Patrick Drewes war in der Schlussphase von einem Feuerzeug getroffen worden, das aus der Berliner Fankurve geflogen war. Die Partie war nach halbstündiger Unterbrechung durch Schiedsrichter Martin Petersen beim Spielstand von 1:1 ohne Drewes fortgesetzt und mit einem „Nichtangriffspakt“ beendet worden. Bochum legte Einspruch ein, das DFB-Sportgericht wertete das Spiel mit 2:0 für den VfL, weil eine Schwächung gegeben war und das Spiel hätte abgebrochen werden müssen.

Zingler: „Union Berlin ist nicht der Täter“
Das zweifelte Union an, legte Berufung ein. Präsident Dirk Zingler, der nach dem DFB-Sportgerichts-Urteil scharf geschossen hatte, machte am Freitag gleich zu Beginn deutlich, dass der VfL Bochum die Situation ausnutzen wollte. Und: „Der Verein ist nicht der Täter. Beide Mannschaften waren Opfer eines Feuerzeugwerfers. Das ist der Täter“, sagte Zingler, dessen Klub das Vereinsmitglied unter anderem mit einem Stadionverbot belegte. „Das Sportgericht soll den Wettbewerb schützen und nicht von außen eingreifen“, sagte Zingler. Union-Anwalt David Bischoff betonte, dass es „treuwidrig“ sei, sich auf einen Nicht-Angriffspakt zu einigen, „um dann noch auf zwei Punkte zu gehen“.

Der VfL hielt dagegen – der Ton im Saal vor fast 40 Journalisten war mitunter rau, der Umgang aber respektvoll. Der renommierte Sportanwalt Professor Christoph Schickhardt, der seit 40 Jahren zahlreiche DFB-Gerichtsverhandlungen bestritten hat, vertrat den VfL, griff die Union-Seite immer wieder an. 

Berlins Argumente seien größtenteils „Unsinn, der nicht besser wird, wenn man ihn ständig wiederholt“. Schickhardt hielt ein halbstündiges Plädoyer, appellierte an die wichtige „Signalwirkung“ des Urteils. Körperverletzung eines Spielers sei ein „No Go“, jede andere Entscheidung als eine Wertung für den VfL „wäre ein fatales Signal an diese Kurve, es wäre alles nicht so schlimm.“ 

DFB-Kontrollausschuss-Chef Nachreiner: „Da sind die Punkte weg - und sonst nichts“
Auch Anton Nachreiner, der Vorsitzende des DFB-Kontrollausschusses, schlug sich erneut klar auf die Seite des VfL: „Was ist die Folge, wenn ein Zuschauer einen Spieler des Gegners aus dem Verkehr zieht? Da gibt es nur eine Antwort, da muss es eine Grundsatzentscheidung geben.“ Der Verein hafte für seine Fans. „Da sind die Punkte weg - und sonst nichts. Das ist ein Automatismus.“ Unions Chef Zingler betonte indes, dass das Gericht nicht für politische Signale da sei, „sondern nach der Rechts- und Verfahrensordnung“ urteilen müsse.

Dabei hatte Union anders als direkt nach dem Spiel, den hitzigen Wochen danach und in der ersten Instanz die Verletzung von Patrick Drewes akzeptiert. Schauspielerei-Vorwürfe spielten keine Rolle mehr, man könne da eh nichts beweisen, meinte Zingler. Die Berliner verzichteten daher überraschend auf eine weitere Zeugenvernehmung von Mannschaftsarzt Mark Sandfort, Partrick Drewes und Verteidiger Felix Passlack, die geladen und in erster Instanz noch vernommen worden waren. Lediglich Schiedsrichter Martin Petersen wurde noch einmal zugeschaltet per Video, sagte in den zehn Minuten aber nichts Neues. An seinem 40. Geburtstag versicherte er erneut, dass er keine Sicherheitsbedenken sah und daher die Partie fortsetzte. 

DFB-Verfahrensordnung bietet Ermessensspielraum
In der Berufung ging es im Kern um die formaljuristisch schwierige Frage, ob das Sportgericht das Spiel umwerten kann, obwohl es zu Ende gebracht worden war. Die Rechts- und Verfahrensordnung des DFB bietet einen Ermessensspielraum, die Anwälte interpretierten die entscheidenden Paragraphen jeweils zu ihren Gunsten. Wiederholungsspiel oder Umwertung? Richter Riedmeyer erklärte in seiner Begründung, dass „eine von außen verursachte Verletzung eines gegnerischen Spielers nicht dazu führen darf, dass der Verursacher daraus einen möglichen Vorteil durch ein Wiederholungsspiel ziehen kann.“

Dabei hatte der VfL nach der ersten Verhandlungsstunde einen Etappensieg eingefahren. Denn das DFB-Bundesgericht ließ die Berufungen vom FC St. Pauli und Holstein Kiel nicht zu (Bericht: hier), weil die Vereine in ihren Rechten nicht direkt betroffen wären, erklärte Oskar Riedmeyer. „Das könnte beispielsweise der Fall sein, wenn er selbst Punkte abgezogen und zugesprochen bekäme – oder wenn von der Entscheidung ein abschließender Tabellenplatz abhängen würde.“ St. Pauli kann der Begründung nicht folgen und prüft, gegen die Entscheidung anzugehen, teilte der Klub bereits am Freitagnachmittag mit. 

Bochum sah sich nur noch Union gegenüber. Kurios: Der gewandte Anwalt von Kiel und St. Pauli, David Bischoff, wechselte sozusagen den Klub, stand nun an der Seite von Berlin, hielt das Plädoyer, lieferte sich etliche rechtliche Scharmützel mit Christoph Schickhardt. Am Ende durfte die „Eminenz“ im Sportrecht, durfte der VfL als Sieger den Saal verlassen. 

Der VfL erhält damit umgehend die zwei Punkte mehr, hat nun 17 Zähler und klettert auf Rang 16 vor Heidenheim (15 Punkte) und Kiel (13). Union bekommt einen Punkt abgezogen, steht nun bei 23 Punkten. 

Quelle: WAZ.de
Tradition ist nicht die Aufbewahrung von Asche, sondern die Weitergabe des Feuers
" Der  VfL kommt von der Castroper Strasse, und hier soll er auch bleiben."
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RE: DFB-Gericht bestätigt Bochums Sieg am grünen Tisch - von Herr Bert - 03-01-2025, 12:59 AM

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